Gefälschte Waffen warten auf ihre Käufer

Sobald bestimmte Objekte eine gewisse Faszination auf den Menschen ausüben, findet sich schnell eine Sammlergemeinschaft für diese Objekte zusammen. Hierbei ist es nicht einmal erforderlich, dass diese Objekte einen tatsächlichen Wert besitzen. Vielfach reicht schon eine ideelle Vorstellung. Und wo diese Vorstellungen einerseits den Jagdinstinkt Einzelner auslösen, finden sich andererseits wiederum andere, die diesen Impuls nur allzu gerne bedienen…

Eine der bekanntesten Objektgattungen für Sammler oder als Wertanlage sind neben Kunstgegenständen auch Waffen. Diese Beliebtheit sorgt für eine hohe Nachfrage, die wiederum die Preise reguliert. Und die Erwartung auf hohe Gewinnerträge macht den Markt anfällig für Falsifikate. Dies gilt, was weitläufig nur wenig bekannt ist, nicht nur für Gemälde oder andere Kunstobjekte, sondern in besonderem Maße auch für Waffen. In manchen Fällen bestehen bis zu 90 % der Objekte eines Waffentyps am Markt nur aus Nachbauten oder Fälschungen. Hierzu gehören auch die sogenannten Entenfuß-Pistolen, die aus einschüssigen Pistolen hergestellt wurden und die meisten Schusswaffen bspw. aus Afghanistan. Eine Ursache hierfür ist die zunehmende Zahl der Reiselustigen ab dem Zeitalter der Romantik bis in 19. Jahrhundert hinein. Ein Trend, der bis heute andauert. Unmittelbar damit verbunden ist auch der Wunsch nach authentischen Reiseandenken, was sehr schnell Fälscher auf den Plan rief und bis heute nicht arbeitslos gemacht hat. Ab dem späten 19. Jhd. fielen dann wiederkehrende Sammelschwerpunkte ins Gewicht, die den Markt mit völlig überhöhten Preisen überzogen und bis heute noch überziehen. Bei den Schusswaffen fallen in diese Kategorie insbesondere die Militärwaffen.

In den letzten Jahren lagen Terra Mare mehrfach solche Reiseandenken vor, die allesamt entweder als Nachbauten aus Originalteilen oder als Fälschungen entlarvt wurden. Insbesondere zählten hierzu Blank- und Schusswaffen aus nordafrikanischen Touristenzentren, aber auch Mitbringsel aus Afghanistan, die zum Teil über Internetauktionen ersteigert wurden. Zwei Beispiele:

Jezail-Gewehr

Die Jezail sind Musketen oder Gewehre aus südasiatischer Herstellung. Typisch für die Gewehre ist der Schaftkolben, der je nach Provenienz gerade oder durchgebogen sein kann. Ein weiteres gut zu erkennendes Merkmal der Jezail ist der lange Lauf, der für europäische Waffen ungewöhnlich ist. Er verleiht den Gewehren eine hohe Treffsicherheit über lange Distanzen. Jezail waren im ersten anglo-afghanischen Krieg (1839 – 1842) eine von den Briten gefürchtet Waffe. Während die britische „Brown Bess“ nur auf Entfernungen von 140 m effektiv war und auf 45 – 50 m genau traf, waren afghanische Scharfschützen in der Lage ihr Ziel auf 250- 300 m treffsicher zu erreichen. Häufige sind Jezails aus einer Kombination von europäischen und einheimischen Waffenteilen gefertigt und werden heute noch aus neuzeitlichen und historischen Teilen für den Touristenmarkt zusammengebaut. Zu den Käufern zählen insbesondere Angehörige der in Afghanistan stationierten NATO. Die handwerkliche Herstellung der Jezail-Gewehre bedingt daher eine hohe individuelle und regionale Variabilität. Aus heutiger Sicht darf man davon ausgehen, dass bis zu 90 % aller Jezail neu zusammengebaut, umfangreich durch Neuteile ergänzt oder vollständig gefälscht sind.

jezail 1
jezail 2
Das Foto links zeigt das Original-Flintschloss eines Jezail-Gewehres (Länge 152 cm, Cal. 15,3 mm). Das Schloss wurde in der Büchsenmacherei von Joseph Manton 1799 gefertigt. Auf dem rechten Foto ist der Schaft unterhalb des Schlosses zu erkennen. Dort sind regelmäßige Bearbeitungsspuren zu sehen, die in dieser Form nur auf eine maschinelle Herstellung des Schaftes schließen lassen (Fotos Ewersen).

Perkussionspistole

Das zweite Beispiel zeigt eine Perkussionspistole, die Terra Mare zu Begutachtung vorlag. Sie wurde über eine Internet-Auktion erworben. Der erste Blick zeigt eine 38 cm lange Pistole mit einem Original Schloss und einem runden Lauf (Cal. 15,6 mm), der im Schlossbereich oben dreikantig verstärkt ist. Insgesamt wirkt das Objekt schlüssig und kann bei oberflächlicher Betrachtung durchaus als Sammlerstück überzeugen. Auf den zweiten Blick erkennt man, dass der Hammer im Verhältnis zu Größe der Pistole recht massiv erscheint. Er könnte, wie auch das gesamte Schloss, durchaus zu einem Gewehr gehören. Unterhalb des Hammers wie auch auf dem Lauf ist der Name „NICOLƧON“ über Kopf sowie der Zusatz „MADE“ zu lesen. Beide Schriftzüge sind in serifenlosen Buchstaben eingepunzt, was die Waffe eindeutig als Fälschung entlarvt. Die serifenlose Schrift wurde zwar bereits Anfang des 19. Jhd. entwickelt, setzte sich aber erst Anfang des 20. Jhds. durch. Zudem wurde der Abzug aus Messing gefertigt, was im 19. Jhd. allgemein unüblich war.

Nicolson 1 Nicolson 2
Links: Blick auf die rechte Seite des Perkussionsschlosses. Rechts: Der Ausschnitt zeigt den über Kopf eingepunzten serifenfreien Namenszug (Fotos Ewersen).