Das Stapelholm-Projekt

Bauarchäologie und Kulturtourismus

In viele ländliche Regionen findet sich ein ungeheueres Potential an historischen, volkskundlichen Bauten, die bei ausreichender Inwertsetzung ein Magnet für den Tourismus werden können. So geht beispielsweise der Kern des abgebildeten Ständerbaus in die Mitte des 18. Jahrhunderts zurück, ohne dass dies auf den ersten Blick erkennbar ist. Ursprünglich handelte es sich bei diesem Bauernhaus um ein Ständer-Hallenhaus mit giebelseitiger Grotdör. In jüngerer Zeit wurde dann vor einen Giebel ein quer zur Gebäude-Längsachse verlaufender Anbau gesetzt, dessen Dachfirst jedoch nicht ganz die Höhe des Hallendachfirstes erreichte. Dieses Gebäude ist nur eines von vielen alten Bauernhäusern in der Landschaft Stapelholm, die Aufmerksamkeit verdienen (Ewersen 2006).

Restgiebel eines Längsdielenhauses
Längsdielenhaus aus der Mitte des 18. Jhd. Der Restgiebel der Ständerhalle ist beim quer vorgesetzten Anbau am Dachfirst oberhalb der Haustür zu sehen. (Foto Ewersen)

Das Projekt „Stapelholmer BauKultur“ verfolgte das Ziel, historische Bauernhäuser durch die Einbindung in ein kulturtouristisches Radwegenetz zu würdigen. Ein großer Bonus bei der Projektentwicklung bestand in den bereits vorhandenen volkskundlichen Hausdokumentationen aus den 50er und 60er Jahren – viele von Dr. Arnold Lühning. Leider zeigte die Durchsicht dieses einmaligen Fundus allerdings auch, dass manche Gebäude, die nach den Unterlagen als kulturhistorisch wertvoll ausgewiesen waren, gar nicht mehr bestanden, völlig baufällig und aufgelassen waren oder aufgrund fehlender oder ungenauer Ortsangaben, bzw. Veränderungen im Ort selber, heute nicht mehr sicher identifiziert werden konnten. In etlichen Fällen waren auch bis zu 250 Jahre alte Gebäude aufgrund radikaler An- und Umbaumaßnahmen in einem nicht mehr sehenswerten Zustand.

Aus der Vielzahl der Bauernhäuser mußte daher eine Auswahl getroffen werden, die kulturhistorischen Ansprüchen und den ästhetische Bedürfnis touristischer Aktivitäten genügt. Um dieses Problem zu lösen, wurden etwa 100 historische Gebäude dokumentarisch erfaßt und im Plus-Minus-Interesting-Verfahren die zehn attraktivsten Gebäude durch 50 Personen ausgewählt. Das folgende Ranking beruhte dann auf dem CAF-Prinzip (Consider all facts n. E. de Bono 1993), bei dem unter Berücksichtigung aller erforderlichen Faktoren der Grundstock für die Sehenswürdigkeiten auf dem geplanten Rundweg gelegt wurde.

Haus Ohlsen, Krüppelwalm-Giebel
Haus Ohlsen, Zeichnung
Süderstapel, Haus Ohlsen, Ansicht des vorkragenden Krüppelwalm-Giebels. Das Ständerwerk des Hauses datiert dendrochronologisch in die Jahre 1703 und 1704. (Foto Ewersen; Grafik anonym)

Die „Stapelholmer BaukulTour“, die mit dem Fahrrad oder dem Auto nachgefahren wird, kann an jeder beliebigen Stelle begonnen werden. Bislang haben sich aber als günstige Einstiegsorte das Haus Jöns in Norderstapel oder das Haus Ohlsen in Süderstapel herausgestellt: Zum einen stehen in diesen Hallenhäusern weitere touristische Informationen sowie eine kleine volkskundliche Sammlung zur Verfügung, zum anderen können von hier aus mit dem Fahrrad die meisten sehenswerten Gebäude in angemessener Zeit erreicht werden. Auf einem dieser Wege ist beispielsweise der aus dem Jahr 1825 stammende Haubarg in Seeth zu sehen.

Giebelmauerwerk Haubarg
Seeth, Haubarg. Giebelmauerwerk mit „Sägezahn-Ornamentik“. Das Haus datiert in das Baujahr 1825. (Foto Ewersen)

Typische äußerliche Merkmale des fast flächenquadratischen Haubargs sind die nach allen Seiten hin abgewalmte Dach, der kurze First ohne „Uhlenloch“ und die niedrigen Außenmauern. Wie in jedem Haubarg oder Gulfhaus, so wird auch hier das Zentrum durch einen Ständer-Vierkant gebildet, den sogenannten Gulf – ein tragfähiges Gerüst, auf dem der gesamte Dachstuhl aufliegt. Man schaffte so mit wenig Bauholz, das ja wegen der Waldarmut in den Marschen sehr kostspielig war, ungleich viel Raum, zumal man vom Boden aus stapelte. Anders als im Hallenhaus sind diese Bargen, also die Stapelräume, die Dreschdiele, Ställe und Wohnräume nicht hintereinander, sondern um diesen Gulf herum angeordnet. Die vier Giebel des Hauses wurden optisch mit einer Ziegelornamentik verziert. Dabei vermauerte man vom Ortgang her Backsteine diagonal so, dass sie Dreiecke formen und damit das sogenannte Sägezahn-Muster hinterlassen. Ob sich die Erbauer des Seether Haubarges die Idee für dieses Motiv aus Friedrichstadt holte, muss offen bleiben. Dort jedenfalls wurde dieses Giebelmuster schon seit der Stadtgründung 1620 häufig verwendet.

Auf dem Rundweg sind nicht nur ländliche Gebäude zu sehen, sondern auch historische Handwerksbetriebe und technische Bauten. Als Beispiel hierfür seinen hier nur die Schleusen im Stapelholmer Land mit dem Schöpfwerk Steinschleuse angefüht. Es besteht in seiner Gesamtheit aus vier Bauwerken. Als Herz des Schöpfwerkes arbeitet jetzt im Innern noch eine ehemals durch Dampf angetriebene 400-PS-Pumpe von 1915. Vom Kesselhaus aus blickt man auf den Eiderdeich, in den die eigentlichen Schleusen mit ihren Toren eingebaut sind. Fast gegenüber liegt die nördlichste der Schleusen, die Schlotschleuse, die inschriftlich 1877 im Zuge der neuen Trockenlegungskampagne durch den Landinspektor Heinrich Tiedemann vom Gut Johannisberg gebaut wurde. Die südlichste und auch zugleich älteste Schleuse ist nach einem kurzen Gang vorbei am landwirtschaftlichen Hof am Deich entlang zu erreichen. Auf dieser Seite findet man auch die zwei Inschriften-Tafeln aus Kalkstein, die auf Bauzeit und Reparaturphasen hinweisen: „EXTRUCTUM ANNO MDCXIX“ (1619) und „REPARATUM ANNO MDCCXXXVI (1736) ET MDCCXXX (1730)“ sowie den Schriftzug „Repariert 1871/E. Bruhn Steinhauer/Nrd.stapel“.

Ein weiteres Beispiel stellt die alte Schmiede in Tielen an der Eider dar, deren Anfänge in die Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts zurückgehen.

Esse der alten Schmiede in Tielen
Tielen, Innenansicht der ehemaligen Schmiede mit Blick auf die Esse. (Foto Ewersen)

Die langfristige wirtschaftsfördernde Wirkung eines solchen regionalen Projektes liegt nach vielen Erfahrungen nicht einzig in dem Projektergebnis, also dem eigentlich Rundweg mit allen seinen Hinweisschildern und Sehenswürdigkeiten, sondern in der zuverlässigen Nachhaltigkeit. Bereits bei der Planung eines derartigen Projektes sollten die möglichen Folgekosten mit berücksichtigt werden. Hierzu gehören beispielsweise Radweg-Pflege, Pflege der Gebäude oder auch regelmäßige Events, mit denen immer wieder auf die touristischen Möglichkeiten aufmerksam gemacht werden kann. Die Grundlage hierfür sind nicht nur engagierte Hausbesitzer und Fördervereine, sondern auch der Rückhalt durch die regionale Wirtschaft. Gastronomische Angebote für Besucher sollten unbedingt offen gehalten werden.

Tragende Projektsäulen sind eine zielführende Planung, hochqualifizierte Durchführung und die Rückversicherung für eine langjährige Nachhaltigkeit. Wird eine dieser Säulen nicht ausreichend berücksichtigt oder vernachlässigt, liegt das Projekt nicht im notwendigen Gleichgewicht. In der Folge kann sich der gewünschte Erfolg, hier die Belebung der regionalen Wirtschaft und Gastronomie, nicht im dem angestrebten Maße einstellen.